„Die erste Pflicht des Menschen, Speis und Trank zu wĂ€hlen,
da ihn die Natur so eng nicht wie das Tier beschrĂ€nkt, erfĂŒllt er die?“

Antonio in Torquato Tasso
von Johann Wolfgang von Goethe, 1790

Das diesjĂ€hrige Thema des Kulinarischen Kinos der Berlinale, „a taste for balance“, möchte auf das Ungleichgewicht hinweisen, dass es in Esskultur und Agrarpolitik gibt; auf Ungerechtigkeiten in der KĂŒche, im Leben und auf dem Feld und Stall.

Zwölf Dokumentar- und Spielfilme beschĂ€ftigen sich in dem Berlinalejahr ausgiebig mit diesem Thema. Kurator Thomas Struck sagt dazu: „Ungleichgewicht hat auch seine Ursachen. Ungleichgewicht im VerhĂ€ltnis der Geschlechter, im VerhĂ€ltnis der Nationen in der Ökonomie, in der Landwirtschaft, um wieder aufs Essen zurĂŒck zu kehren. Das sind Themen, die in diesen Filmen auftauchen.

Essen ist zentral fĂŒr unser aller Leben auch wenn es in Deutschland nicht den höchsten Stellenwert hat, besonders im Vergleich zu LĂ€ndern wie Frankreich, Griechenland oder Italien.

„When tomatoes met wagner“ von Marianna Economou

„When tomatoes met Wagner“ ist eine Geschichte von der Liebe zum Produkt, der Leidenschaft zum guten Essen, der besonderen Beziehung der Menschen untereinander… Eine melancholisch-humorvolle ErzĂ€hlung ĂŒber den Mut zu unkonventionellen LebensneuentwĂŒrfen in einem Dörflein bei Karditsa, da, wo Griechenland nicht der Sommerurlaubstraum ist, mit dem wir uns ĂŒber den Winter trösten, sondern wo Felder und Menschen immer ein bisschen ausgeblichen sind. Egal zu welcher Jahreszeit. Dort wachsen Tomaten, die wie Tomaten schmecken. Wo sonst lĂ€sst sich das sonst behaupten?

In einer Welt, in der nicht jeder Prozess optimiert und nicht jede Aussage per Google auf ihre Richtigkeit ĂŒberprĂŒft wird, können die Cousins Christos und Alexandros darĂŒber fachsimpeln, wie die Welt und der Kapitalismus funktionieren, und welche Musik ihre Tomaten gern hören.

Die “Tanten” dieser MĂ€nner, fĂŒnf alte Damen aus dem sterbenden Dorf, verarbeiten in einer improvisierten Manufaktur Honig und Tomaten, scherzen und tratschen und lassen sich dabei von Alexandros Geschichten erzĂ€hlen, wĂ€hrend die Tomaten Musik hören, zum GlĂŒck nicht nur Wagner, sondern auch griechische Klarinetten.

Mit dem Know-How und der tatkrĂ€ftigen Hilfe der Landfrauen aus Elias werden die Tomaten angebaut, geerntet, nach traditionellen Rezepten zubereitet und in GlĂ€ser abgefĂŒllt. Die gefĂŒllten Tomaten und HĂŒlsenfrĂŒchte von Alexandros Gousiaris sind bereits in London (Harrods, Harvey Nichols, Selfridges) ein Hit und ab sofort bei uns bestellbar.

Das Programm des Kulinarischen Kinos versucht die vielen Facetten, die Essen fĂŒr uns bedeutet zu verbinden. Zum einen das Geschmack nicht nur ein kulinarischer, sondern auch ein kultureller Wert ist. Einem Wert ĂŒber den man trefflich streiten kann, auch wenn das sprichwörtliche Vorurteil etwas anderes behauptet. Zum anderen, das BedĂŒrfnis von einem ZurĂŒck zur NatĂŒrlichkeit. Ist dieses ZurĂŒck zur NatĂŒrlichkeit der Beginn einer Foodrevolution oder nur wieder eine verpuffende Marketingstrategie?

Gutes Essen, eine intakte Umwelt, eine gute Gesundheit, die Lösung des Welthungerproblems und eine Welt ohne Tierleid wĂŒnschen sich alle Menschen. Das Essverhalten der meisten Menschen ist Hauptverursacher von Umweltbelastungen, Hauptrisikofaktor von Volkskrankheiten, der Grund fĂŒr die Ă€ußerst intensive Nutztierhaltung und ein Auslöser von Welthunger. Die Konsumierenden benötigen Kompetenzen, die das Hinterfragen des eigenen Essverhaltens und das Umsetzen von LösungsansĂ€tzen ermöglichen. Sie mĂŒssen wissen, was sie essen, und die Auswirkungen davon verstehen. Die zwölf Filme der Berlinale bieten auch hierzu eine Anleitung.